Low-Code und No-Code: Die Virtualisierung der Zukunft

Low-Code Programmierung, oder gar No-Code Programmierung: Buzzwords der Stunde, die einem an jeder Ecke begegnen. Instagram Ads werben um Programmierer ohne Programmierkenntnisse, Cloud-Anbieter wie Amazon und Microsoft stellen ganze Low-Code Baukasten-Systeme zur Verfügung, und Industrie-Giganten wie Siemens investieren gewaltige Summen in Plattformen wie Mendix. Mit Blick auf die Automotive Industrie lässt sich zweifelsfrei sagen, dass die Branche in Bewegung ist, und zwar über das naheliegende und wenig elegante Wortspiel hinaus, in Beschleunigung gar: Autonomes Fahren, immer intelligenter werdende und voll vernetzte Systeme, Regelungen zur Cyber Security über die gesamte Laufzeit des Fahrzeugs hinweg: Sie sorgen dafür, dass neue Lösungen gefunden werden müssen. Für immer modernere Kunden mit immer höheren Anforderungen im Rahmen holistischer Konzepte, in einem Wettbewerbsumfeld, das zunehmend geprägt wird von schnellen, agilen Konkurrenten, die aus der reinen IT-Branche in etablierte Geschäftsfelder wie etwa die Automobilbranche drängen – und die Legacy-Systeme der OEM-Platzhirsche mitunter in Erklärungsnot bringen.

Gepaart mit einem zunehmenden Mangel an Fachkräften in nahezu jeder Branche stellt sich die Frage, welche Mittel zukunftsorientierte Hersteller und Lieferanten ergreifen, um sich nicht von der – man erlaube das Zitat – Zeitenwende überrollen zu lassen. Low-Code und No-Code sind sich anbahnende Alternativen, deren Vor- und Nachteile dieser Artikel aufgreift.

Marc Wiechmann Cognizant Mobility

Marc

Marketing Professional

30.01.23

Ca. 12 min

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Wieso brauchen wir Low-Code in der Industrie?

Dass sich der Automobilmarkt beschleunigt, steht außer Frage. Ehemalige Silicon Valley Player drängen in die Branche, die Entwicklungen nehmen an Fahrt auf, vor allem den autonomen Fahr-Markt betrachtend. Wie halten sowohl kleine als auch größere Unternehmen mit dem Status Quo der Entwicklung mit, wie arbeiten diese effizienter und schneller, näher am Produkt und am Bedarf? Die klassische projektbasierende Entwicklung kann hier selten Schritt halten. Low-Code Entwicklung bietet einen Lösungsansatz, um benötigte Applikationen schnell zu entwickeln und erste Referenzen darstellen zu können. Oft ist das nicht mal nur eine Frage der schnellen Handlungsfähigkeit oder des langen Atems: Legacy-Systeme etablierter OEMs veralten schlicht und einfach, fallen aus der Zeit und müssen ersetzt werden – und zwar zeitnah.

Das Marketing vieler Produkte, nicht nur im automobilen Bereich, spricht ebenfalls eine Sprache, die Einfachheit verspricht: Alles geht Plug-and-Play, keine Einrichtung nötig, alles funktioniert from the scratch und ohne Mühe. Das spiegelt sich auch in der Entwicklung wider: Code schreibt sich praktisch von selbst, Bausteine werden in grafischen Entwicklungsoberflächen nur noch per Drag-and-Drop an die richtige Stelle gezogen – und é voila, wie durch Zauberhand entsteht eine neue App, die praktisch von der Hausfrau nebenan während des Kartoffelkochens erstellt wurde. Na schön, wir nehmen vorweg, was vergleichbare Artikel sich gerne für den Abschluss aufheben: Ganz so weit sind wir noch nicht. Low-Code und No-Code Entwicklung (wobei Low-Code den noch jungen Wachstumsmarkt bis dato dominiert und komplette No-Code Lösungen noch Ausnahmeerscheinungen sind, zumindest im professionellen Bereich) vereinfachen die Dinge selbstredend. Natürlich benötigen Industrie-Kunden noch immer spezifische Anwendungen und speziell auf beispielsweise die Automobilindustrie zugeschnittene Lösungen, die nicht vollständig mit code-armen Anwendungsentwicklungen umsetzbar sind. Das beliebte und gerne zitierte Pareto-Prinzip ist ein guter Anhaltspunkt für das Kommende: Bis zu 80 Prozent der Basis-Entwicklung ist denkbar, via Low-Code Entwicklung auch von weniger spezialisierten Developern umgesetzt zu werden. Die verbleibenden zwanzig Prozent der Entwicklung werden jedoch auch weiterhin achtzig Prozent des Aufwands verursachen, da diese speziell für den Kunden programmiert werden müssen. Nicht zu reden von den nach wie vor bestehenden und oft sehr individuellen Enterprise-Systemen großer Systemkunden

Low-Code / No-Code – Mendix und der Lock-In-Effekt

Während die Anbieter im LinkedIn-Feed, die die Ausbildung von Entwickler:innen komplett ohne Code-Kenntnisse versprechen, an einem Mangel an Seriosität leiden dürften, gibt es sehr wohl ernstzunehmende Plattformen wie Mendix, in die schon Branchen-Player wie Siemens und Cognizant früh investiert haben.

Low-Code-Plattformen wie Mendix haben in den letzten Jahren an Popularität gewonnen, da sie es Unternehmen ermöglichen, schnell und effektiv Anwendungen zu entwickeln, ohne dass tiefgehende technische Kenntnisse erforderlich sind.

Mendix bietet eine breite Palette von Funktionen und Werkzeugen, die es Entwicklern ermöglichen, Anwendungen schnell zu bauen und zu deployen, indem sie vorgefertigte Low-Code Bausteine und integrierte Funktionen nutzen, basierend auf einer visuellen Oberfläche, die via Drag and Drop bedient werden kann. Die Plattform ist besonders nützlich für Unternehmen, die schnell auf Veränderungen in ihrem Geschäftsumfeld reagieren müssen, da sie es ermöglicht, schnell Anpassungen vorzunehmen und neue Funktionen hinzuzufügen.

Mendix ist auch in der Lage, Anwendungen für verschiedene Plattformen zu entwickeln, einschließlich Web, mobil und Cloud. Dies macht es zu einer vielseitigen Plattform, die sowohl für die Entwicklung von internen Geschäftsanwendungen als auch für die Bereitstellung von Kundenlösungen geeignet ist. Dank der Option der Datenintegration können außerdem auch Anwendungen für bestehende Systeme entwickelt werden – ein großer Vorteil für z.B. klassische Automobil-OEMs, die häufig über schwer zu ersetzende Legacy-Enterprise-Systeme verfügen.

Ein weiterer Vorteil von Mendix ist, dass es eine aktive und engagierte Community hat, die Entwicklern bei der Nutzung der Plattform hilft und sie mit anderen Nutzern vernetzt. Dies kann dazu beitragen, den Erfolg von Projekten zu steigern und Probleme schneller zu lösen.

Insgesamt bietet Mendix eine leistungsstarke und benutzerfreundliche Plattform für die schnelle Entwicklung von Anwendungen, die für Unternehmen jeglicher Größe und Branche von Nutzen sein kann.

Gerade im Bereich der Automatisierung lässt sich von solchen Bausteinen, wie sie Mendix bietet, profitieren, und wo Standards herrschen, feiert die Low-Code-Entwicklung Triumphe. Ob hunderte von Prozessen, riesige Ticket-Systemen oder dm allgemeiner Cloud-Sysadmin-Bereich: Hier bestehen – im Gegensatz zur oft noch etwas undifferenzierten Automotive-Industrie – echte Use Cases, die lösungsorientiert angegangen werden können.

Sicher: Lösungen für alle Szenarien bieten Mendix und Co. noch nicht, und nicht alle Plattformen haben nur das Beste der Kunden im Sinne. Wo AWS und Azure freilich eigene Low-Code Plattformen bieten wie Logic Apps oder Lambda Codes, verschärfen diese die ohnehin latent vorhandene Gefahr eines Lock-Ins: Wer vollständig auf die einfach zu nutzenden Low-Code Bausteine von Amazon, Microsoft und Co. setzt (oder die Frameworks von Qualcomm und Co.), findet sich schnell in Schwierigkeiten wieder. Einfachheit birgt eben auch Gefahr, der sich Nutzer von Low-Code und No-Code Entwicklung bewusst sein sollten.

Dennoch lässt sich Gewinn aus der aktuellen Low-Code-Situation ziehen. Anbieter wie Cognizant nutzen schon jetzt viele Applikationen innerhalb der Mendix-Plattform, die als Grundsetup für viele Kunden dienen kann, und entwickelt ganze Frameworks und Systematiken. Use Cases sind denkbar im Aftersales-Bereich, im Sustainability Development, im Enabling of Quality, und das für Mobile, Web und weitere Plattformen.

Wie sich via Low-Code Entwicklung programmierte Applikationen in große Enterprise-Systeme integrieren lassen, ist eine Fall-zu-Fall-Herausforderung, die mitunter einfach und bisweilen auch nahezu unmöglich sein kann. Noch ist es eben nicht State-of-the-Art, mit Low-Code Lösungen zu arbeiten. Achtzig Prozent des Entwicklungsaufwands lassen sich aber stark vereinfachen, was natürlich auch sinkende Kosten für Auftraggeber bedeutet.

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Der gefürchtete Lock-In, der einem aus dem Cloud-Umfeld bekannt ist, kann auch im Low-Code Bereich eine Rolle spielen, und zwar schon früh zu Beginn der code-armen Reise

Auch zu beachten sind indes auch gewisse Risiken, was den Einsatz von Low-Code Anwendungen betrifft: Auf lange Sicht besteht durch Low-Code und No-Code Ansätze und die damit verbundene starke Anwendung von vorgefertigten Lösungsbausteinen nämlich durchaus die Gefahr, dass Programmierkenntnisse und IT-Basiswissen verloren gehen könnte. Wenn beispielsweise entlang von IT-Ausbildungsprogrammen und im universitären Umfeld anstelle der bisherigen, Open-Source Programmiersprachen, stärker auf nicht freie Module der verschiedenen Hyperscaler (AWS, Microsoft, etc.) gesetzt wird, kann der zuvor beschriebene Lock-In-Effekt sich im Extremfall auf ganze Jahrgänge von Entwicklerabsolventen ausdehnen. Zugegeben, ein Extremfall, aber er macht deutlich, in welchem Umfang die lokale Wertschöpfung von diesen Effekten betroffen wäre und wie schwer sich ein solcher Lock-In ohne verfügbare, grundlegende Programmierkenntnisse in den freien Programmiersprachen wieder auflösen ließe. Das bringt uns nahtlos zur nächsten Frage:

Sind Entwickler dank Low-Code Entwicklung in 10 Jahren arbeitslos?

Noch so ein Cliffhanger, der sich hervorragend am Ende des Artikels gemacht hätte, aber hier die Antwort: Nein, Entwickler werden auch in 10 Jahren noch Arbeit haben, und dank der fortschreitenden Hyperindividualisierung allerorten sogar mehr denn je.

Betrachten wir es wie den Vergleich von Fast Food gegen Haute Cuisine: Ein Systemgastronom bereitet einen Burger zu und hat alle Zutaten für diesen schon bereit. Nur noch zusammenfügen und aufbereiten, fertig. Verglichen mit gehobener Küche, in der diese Zutaten ebenfalls vorhanden sind, aber erst individuell zubereitet werden, ist dies einfacher – aber keine finale Lösung für alle Geschmäcker, und: Jemand musste die Bausteine erstmal herstellen. Anders als das berühmte „Last Mile“ Konzept vieler Dienstleister ist es also die „First Mile“, die sich weder automatisieren lässt noch mit ungenügend ausgebildeten Fachkräften umsetzbar ist. Hier entsteht weiterhin der höchste Entwicklungsaufwand, der die meisten Kosten verursacht – aber auch Gelegenheit zur Kernkompetenz bietet, die Alleinstellungsmerkmal bleiben wird.

Natürlich muss auch gesagt werden: Was die Zukunft bringt, ist ungewiss. Vor zehn Jahren, vor fünf Jahren sogar war kaum denkbar, was heutzutage an Low-Code und No-Code Lösungen möglich ist. Visuelle Code-Anwendungen, Drag and Drop, No-Code-Developer-Akademien. Und die Zeit vergeht schneller, Fortschritt wird rasanter. Wer vermag also schon mit Gewissheit zu sagen, was im Jahr 2030 Standard in der Entwicklung sein wird?

Sicher ist aber: Neue Technologien sind jetzt mehr denn je im Fokus, nicht nur der Anbieter, sondern auch der jungen Entwickler. Wer heute anfängt, sich ins Thema einzuarbeiten, will mit neuen Technology Stacks arbeiten, die morgen noch da sind. Die „Evolution of Programming“ ist jetzt in der Stufe der Entwicklung von Sprachen, die nächste (fünfte) Generation wird das Modeling sein: Experten werden also immer benötigt, und Anbieter, die adaptiv und flexibel sind, werden immer gebraucht. Dass Low-Code Entwicklung aber bis zu 80 Prozent der Entwicklungskapazitäten übernehmen könnte, scheint nach bisherigen Erkenntnissen denkbar. Plattformen wie Mendix und Anbieter wie Cognizant (Mobility) stellen sich hierfür bereits auf: Frontend und Fullstack Development, Data Logic, Integration, Augmented Reality Anwendungen und Frameworks für neueste Technology Stacks: Schon jetzt möglich und in der Weiterentwicklung begriffen. Die Entwicklung der Entwicklung, wer das plumpe Wortspiel zum Abschluss verziehen möge.