Solarbetriebene Pioniere: Wie TUfast die Grenzen des Engineerings sprengt

Vorweg: In diesem Artikel geht es um Engineering. Ingenieurswesen, klassisch formuliert. Es geht um Grenzen, um alternative Antriebe, um Organisation über alle Disziplinen und vor allem um Leidenschaft. Er wird nicht wirklich technisch, wir sprechen eher von einem Portrait über das Team hinter dem Namen „TUfast Eco“. Bevor wir euch das – wirklich – spannende Projekt der Technischen Universität München vorstellen, müssen wir aber kurz auch über Klischees sprechen. Und dann reden wir über die wirklich wichtigen Dinge wie automobile Innovation und wieso die so wunderbar konterkariert, was die meisten Menschen darunter verstehen. Viel Spaß.

Marc Wiechmann Cognizant Mobility

Marc

Marketing Professional

4.03.24

Ca. 15 min

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TUfast und die Klischees der GenZ

„GenZ“: Das ist die demographische Bezeichnung für junge Menschen, die grob zwischen 1990 und 2010 geboren wurden. Die Jahresangaben können je nach Quelle etwas variieren, aber im Allgemeinen ist damit die Generation junger Erwachsener mit 28 Jahren oder jünger gemeint, die aktuell in den ersten Arbeitsmarkt eintritt, und die aufgrund verschiedener Faktoren wie der demographischen Überalterung der deutschen Bevölkerung und des dem anhaltenden Fachkräftemangel etwas mitbringt, das bisher weitestgehend unbekannt war: Die Macht, ihre Arbeitsbestimmungen massiv zu beeinflussen und eine ausgeglichene Work-Life-Balance zu fordern, Mehrwert darzustellen, Anerkennung zu erhalten. Das kollidiert mit althergebrachten Strukturen und birgt daher einiges Konfliktpotenzial. Doch was wäre, wenn es gar keinen Generationenkonflikt der Marke „Boomer vs. GenZ“ gäbe? Was, wenn es vielmehr eine Frage der Wandelbarkeit des Arbeitsmarktes, und, wie so oft, eine der Motivation ist?

Wir finden, den Beweis dafür tritt das Projekt „TUfast Eco“ der Technischen Universität München an. Rund 100 Studenten finden sich in diesem Team wieder – weitere studentische Nachwuchs-Ingenieure stecken ihre Zeit in die Teams „TUfast Racing“ und in das „TUfast Moto electric“ (neu seit 2023 Fokus auf Motorräder). Und das, wohlgemerkt, freiwillig, unbezahlt und parallel zur Studienzeit. Fehlende Motivation? Die dürfte ein Vorurteil bleiben angesichts des Umstands, dass die Teammitglieder von TUfast im Grunde einen unentlohnten Vollzeitjob betreiben. Als Teamleiter für bestimmte Organisationseinheiten können gerne auch 40 Stunden pro Woche zusammenkommen, teilweise auch verteilt auf 24-Stunden-Schichten, Nachtschichten konsequenterweise inklusive, und danach in die Vorlesung. Stehen besondere Arbeiten an wie beispielsweise das Anfertigen von Chassis-Teilen aus Carbon, der innerhalb einer bestimmten Zeit bearbeitet werden muss, sind selbst 80-Stunden-Wochen nichts nie Dagewesenes.

Was ist TUfast Eco genau und woher kennt man sie?

Wer die Automotive-Branche zumindest lose verfolgt, ist vermutlich schon über das Projekt „TUfast“ gestoßen, das sich vornehmlich mit extrem nachhaltiger und effizienter Elektromotortechnik befasst. Ziel ist die höchstmögliche Effizienz für ein Auto zu erhalten, wozu das Team selbständig einen Prototypen, ein Concept Car geschaffen hat. Dieser erste Beweis, dass ein stadtähnliches Fahrzeug mit einer einzigen Batterieladung 2.573,79 Kilometer weit fahren kann – Weltrekord.

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Und der nächste Rekordversuch steht bereits an – denn nun widmet sich TUfast der Solarenergie und nimmt an der Bridgestone World Solar Challenge, kurz meist BWSC genannt, teil. Hier soll es um ein komplett solarbetriebenes Fahrzeug gehen, selbst gebaut, natürlich, das im Oktober 2025 an einem Wettbewerb teilnehmen soll. Bei diesem geht es darum eine Strecke über 3.000 Kilometer durch den australischen Outback zu meistern. Na, wenn es sonst nichts ist. Von stadtähnlichen Geschwindigkeiten mit 40-45 km/h wie zuvor verabschiedet sich TUfast, denn nun geht es um ein Rennen, bei dem um die 130 km/h gefahren werden sollen – eine neue Grenze, die überschritten werden will. Das ist allerdings auch genau der Spirit bei TUfast, wie es auch auf der Website des Teams zu lesen ist: „For me this project ist more than about students who build cars. It is a place where you can push the limits of engineering and bring your ideas to life.“

Wenn ihr vorab mehr über die Challenge erfahren möchtet, empfehlen wir euch folgendes Video dazu, das bereits ganz gut andeutet, wie interessant und aktuell dieses Thema ist:

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Über 3.000 Kilometer werden es am Ende sein, die das Solarauto zurücklegen soll, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 80-90 km/h, und dieses Fahrzeug wird komplett selbst von „TUfast gebaut. Es gibt internationale Teams, die später Kopf an Kopf durch den Outback jagen, eine Woche lang, mit containerweisem Equipment, das verschifft werden muss, mit einem Team von 50 Leuten. Der logistische Aufwand ist enorm. Um dies zu bewältigen, müssen sich die Studenten organisieren – und wie dies gelingt, haben wir Katharine und Tim aus dem Team „TUfast Eco“ gefragt.

Inside TUfast Eco: Der Spirit, der die Innovation vorantreibt

Während unserer Recherche fanden Katharine und Tim Zeit für unsere Fragen. Katharine studiert Ingenieurswissenschaften und arbeitet auf den Bachelor hin, Tim auf den Master in Maschinenbau. Im Gespräch erklärten uns die beiden nicht nur die technischen Hintergründe des Projekts, die zweifelsfrei hochinteressant sind. Viel faszinierender war für uns bei den Mobility Rockstars aber der ungebremste Enthusiasmus der Studenten für ihr Projekt. Sicherlich nehmen viele Studenten zunächst für das Plus im Lebenslauf teil, lässt uns Katharine wissen, aber sehr schnell nimmt der soziale Aspekt überhand: Ein Team, das freiwillig daran arbeitet, Innovation im automobilen Ingenieurswesen zu betreiben, mit einer gemeinsamen Vision, gemeinsamen Leidensphasen und zusammen erreichten Zielen. Tim beispielsweise gelangte über einen Freund ins Team, und ausgerechnet beim Studieren des Bremssystems konnte Tim Gas geben (pun intended): Ein hohes Lern-Niveau mit einem deutlich höheren Praxisanteil als im Studium vertieft Erlerntes und Geübtes in einem ganz anderen Maße, als es im Hörsaal möglich wäre. Die Challenge, sich mit anderen Teams aus anderen Organisationen zu messen, treibt ihn besonders an. Und wirklich, die vibrierende Leidenschaft für ihr Projekt, die Tim und Katharine ausstrahlen, lässt spätestens an dieser Stelle jedes Vorurteil über die GenZ hinfällig werden und deutet eine strahlende Zukunft nicht nur für die vielen Studentinnen und Studenten des Projekts an, sondern birgt Hoffnung für einen ganzen Arbeitsmarkt, der dieser Tage mehr denn je auf die Selbstbestimmung, die moderne Perspektive und den Veränderungswillen einer ganzen Generation angewiesen ist.

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Gar nicht so einfach zu beantworten, wer hier der wahre Start ist – das Rekordfahrzeug, oder das enthusiastische Team? Obwohl…eigentlich ist die Antwort doch ziemlich einfach. Findet ihr nicht?

Auch im Projekt „TUfast Eco“ findet sich dieser Wandel wieder – auf Grundlage des bisherigen Erfolgs, aufbauend auf dem erarbeiteten Wissen und den Erfahrungen von hunderten Studenten (schließlich ist das Team dynamisch – Studenten kommen, Studenten gehen), geht es in der BWSC nun um eine neue Herausforderung, vergleichbar mit der Einführung einer ganz neuen Autoreihe beim OEM. Vieles wird von Null an aufgebaut, während beinahe nebenbei der Master im Maschinenbau studiert wird.

Damit das klappt, benötigt es natürlich auch Studentinnen und Studenten, die sich ins Projekt einbringen möchten. Hierfür betreibt TUfast Eco ein regelrechtes Recruiting, das manch HR-Abteilung vieler Unternehmen gut zu Gesicht stünde: Oft vor Ort mit kleinen Kampagnen, Auftritte auf Messen, Projektvernissagen und vielem mehr. Von lernwilligen Erstsemestern bis zu bereits erfahreneren Studenten, die komplexe Aufgaben wie den Entwurf der Bauteile vornehmen, ist alles vertreten. Der Grad an Selbstorganisation ist erstaunlich und sicherlich die Basis für weitere Erfolge, denn ohne starke Grundlage kann Innovation nicht gedeihen. Es ist zu schade, dass Geschriebenes selten den Spirit des Moments konservieren kann. Zu beschreiben, wie Studenten, junge Menschen Anfang Zwanzig, mit leuchtenden Augen davon schwärmen, dass 80-Stunden-Wochen natürlich anstrengend sind, man sich aber trotzdem auf eine Woche im australischen Outback bei 45 Grad im Schatten freut und hofft, neue Rekorde im Ingenieurswesen zu erreichen, ist nicht ganz einfach. Aber mehr als ein Fanal für die technische neue Mobilität ist das unausgesprochene Plädoyer für eine missverstandene Generation, die keine Motivation von außen braucht, sondern die Möglichkeit, eigene Impulse umzusetzen und sich selbst zu motivieren.

TUfast Eco bei der Bridgestone World Solar Challenge – So geht es weiter

Sprechen wir noch ein wenig über die Organisation innerhalb des TUfast-Teams: Es gibt untergeordnete Teams, die sich die Aufgaben teilen, ganz wie in jedem effektiven Unternehmen: Teams für die elektrischen/elektronischen Parts, also praktisch E-/E-Gesamtfahrzeugentwicklung. Es gibt Units für die mechanischen Parts, eigene Teams für Fahrstrategien – schließlich ist für den Teamerfolg bei der BWSC relevant, wie das Wetter sein wird: Ohne Sonne kein Rennen. Wann wird überholt, welche Geschwindigkeit wird gehalten? Und das alles sind Fragen, die nach dem Erschaffen eines eigenen Rekordfahrzeugs kommen. Schon zuvor gibt es Operations Teams, Aufgaben im Lifecycle Management, Event Planning und Social Media Teams, die Marketing betreiben und nach Sponsoren suchen, die finanziell oder mit Bauteilen unterstützen und ohne die Projekte dieser Art unmöglich wären. Wenn ihr euch hierfür interessiert, könnt ihr euch gerne unter dieser E-Mail-Adresse beim TUfast Team melden. Auch Cognizant Mobility tritt als Silber-Sponsor auf, denn die Schirmherren dieses Blogs stehen ein für eine innovative Zukunft, die durch Teams wie TUfast Eco vertreten wird.

Falls ihr euch übrigens fragt: Die Teams kommen nicht nur (vorwiegend an den vorlesungsfreien Samstagen) zu Work Days zusammen. Manchmal gehen die Studenten auch essen, bowlen oder feiern und erlauben sich, einfach nur Studenten zu sein. Und dann kommt der Ansatz, die Entwicklung für dieses Projekt rein Cloud Native zu betreiben, vom Anfang der Kette bis zum Ende, um Revisionen und neue Versionen nicht immer neu anzugehen, sondern nur noch neue Branches zu öffnen und alle Schritte innerhalb einer Plattform zu tätigen. Nur eine der vielen Überlegungen in der Konzeptphase, in der sich das Team seit 2023 befindet und bei der nun eine erste „Black Box“ erstellt wird, mit der das „Packaging“ beginnt: Wo im Auto soll was hinkommen? Welche Deadlines setzen wir uns dafür?

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Eine „Version 1“ ist bereits in Arbeit, während dieser Blogbeitrag entsteht („Version 0“ war ein erstes, sehr grobes Konzept, im Grunde nur aus dem Chassis bestehend). In der ersten Version kommen die Bauteile hinzu, die auch schon sinnvoll konzeptioniert, berechnet und aus Ingenieurssicht funktional sein müssen, damit sie integriert werden können. Nachfolgend geht es an die Simulation und es geht in eine Revision. Insgesamt werden sechs bis sieben Versionen vom Fahrzeug angefertigt, bis die Produktion wirklich steht. Und dabei sind die genauen Herausforderungen der BWSC noch gar nicht bekannt – die Regeln werden erst 2024 bekanntgegeben. Bis dahin sollen zwei Fahrzeuge komplett produziert werden, damit die Anforderungen der Challenge direkt umgesetzt werden können, sobald sie bekannt sind.

Einen der wichtigsten Projektteile bildet schließlich das Testing – diese Phase beginnt schon jetzt und wird für das gesamte Jahr durchgeführt, damit am Ende nicht nur ein „rolling chassis“ fertig ist, sondern auch die Batterien und Solarelemente ausgiebig getestet werden können. Mindestens sechs Monate sind hierfür eingeplant, und auch die Fahrer müssen natürlich trainiert werden. Das Testing selbst bemüht ein echtes Buzzword, den „Digital Twin“, damit auch virtuelles Testing vorgenommen werden kann und natürlich auch, um interessierten Sponsoren via VR-Brille Eindrücke liefern zu können. Vor allem physische Tests sind dabei ausschließlich virtuell möglich, wie beispielsweise Crash Tests, die schon zur Sicherheit der Fahrer unumgänglich sind.

TUfast Eco – Zu schnell für Klischees

Was nehmen wir also mit aus diesen vielseitigen Eindrücken über studentisches Leistungsvermögen, über Selbstorganisation und -motivation, über endlose Arbeitsstunden, Weltrekorde und automobile Innovation? Wie integrieren wir das in unsere Vision der modernen, neuen Mobilität durch alternative Antriebe, und wie gehen wir mit den Klischees um, die wir oft unfreiwillig aufbauen? Ist es nicht so, dass die neue Generation, die einen ablöst, schon seit jeher der Kritik der scheidenden Schicht ausgesetzt ist? So schreibt Platon, der bekannteste Schüler des griechischen Philosophen Sokrates, seinem einstigen Lehrmeister folgendes Zitat zu: „Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“

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Das Rennen um die Zukunft gewinnen wir nur gemeinsam mit der kommenden Generation. Zeit, umzudenken und die Menschen jenseits des Klischees zu sehen.

Nun ist dies insofern mit Vorsicht zu genießen, als dass Sokrates keine eigenen Aufzeichnungen hinterlassen hat – all seine Lehren kennen wir nur konserviert durch Platon. Wir hingegen sind Zeitzeugen eines Teams einer technischen Universität, die alle Vorurteile Lügen straft und durch unermüdlichen Einsatz Leistungsbereitschaft und Motivation zeigt, die der Dynamik vieler aktueller OEMs guttäte. Cognizant Mobility und die Mobility Rockstars sind daher mit großem Enthusiasmus Sponsoren des TUfast Eco Teams, und wir freuen uns, gemeinsam mit großartigen jungen Menschen Barrieren einzureißen und zeitgleich für Innovation und Fortschritt sowie für Inklusion und gegen Vorurteile einzustehen.

Professional Marc

Marc

Marketing Professional

Marc arbeitet als Senior Digital Marketing Manager bei Cognizant Mobility und generiert Content, fährt Kampagnen und leitet die SEO-Strategie der Internetauftritte.