ExoMatter: Materialentwicklung per K.I. – Innovation trifft Nachhaltigkeit

Künstliche Intelligenz spielt eine immer größer werdende Rolle auf der technologischen Bühne. Ebenso oft unter- wie überschätzt stellt K.I., richtig eingesetzt, eine hervorragende Lernmethode dar, um rechenintensive Arbeiten lösungsorientiert und dauerhaft zu vereinfachen. Sie ist keine „Magic Box“ mit automatischen Superlösungen, aber wertvoller Helfer bei der Kategorisierung von Daten, maschinellem Lernen und Lösungsfindungen in der Industrie. Dabei erobert sie beinahe jeden Bereich vom Finanzsektor bis in die Automobilbranche und natürlich im Alltag, in dem wir alle K.I., oft unbemerkt, bereits verwenden.

Besonders spannend sind hierbei vor allem aus Perspektive der Data Science und des industriellen Machine Learning die Methoden, Vorgehensweise und natürlich die Lösungen. An einer davon arbeiten Barbara Prähofer und ihre Kollegen von ExoMatter, die K.I. zur Materialentwicklung verschiedenster Materialien verwenden. Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Barbara über das Thema zu unterhalten und wünschen euch daher nun viel Spaß mit dem Interview!

Marc Wiechmann Cognizant Mobility

Marc

Marketing Professional

18.11.22

Ca. 12 min

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ExoMatter: „Kann doch nicht sein, jahrelang Materialien durchzuprobieren, bis ich ein passendes Material gefunden habe!“

Mobility Rockstars: Hallo Barbara! Für die, die euch noch nicht kennen: Magst du dich und euer Unternehmen kurz vorstellen?

Barbara: Sehr gerne. Mein Name ist Barbara und bin Co-Founder & Business Development Managerin bei ExoMatter. Wir (Josua, Friedemann und ich) haben im März diesen Jahres ExoMatter gegründet. Wir haben uns auf die Fahne geschrieben Materialentwicklung zu revolutionieren und dadurch den weltweiten ökologischen Schaden durch innovative und nachhaltige Materialien zu reduzieren.

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Barbara Prähofer von ExoMatter stand uns im Interview zur Seite, um spannende Einsichten in ihre Arbeit zu geben! (Copyright 2022 @ExoMatter)

Mobility Rockstars: Euer Unternehmen entwickelt Materialien per K.I., via Algorithmus und Machine Learning. Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Barbara: Die Idee hatte Josua Vieten, unser Materialentwickler und Chemiker im Unternehmen. Als Josua seine Doktorarbeit geschrieben hat und ein Material für solar-thermochemische Prozesse suchen musste, dachte er sich „das kann doch nicht sein, jahrelang Materialien durchzuprobieren, bis ich ein passendes Material gefunden habe. Das muss doch viel effizienter und besser funktionieren…“ Nach einiger Recherchearbeit wurden kein Anbieter oder Plattformen gefunden, die das abbilden konnten. Somit hat Josua selbst angefangen zu programmieren und hat passende Materialien in so kurzer Zeit gefunden, dass daraus eine Geschäftsidee wurde. Während seiner Zeit bei Celonis hat er die nötigen Einblicke in ein Software-as-a-Service-Unternehmen gewonnen und damit den letzten Impuls, seine Idee in die Tat umzusetzen. Um die technische Seite zu komplettieren, hat er seinen ehemaligen Kollegen am DLR, Friedemann Call, Physiker und Nachhaltigkeitsexperte, ins Boot geholt. Jetzt blieb nur noch die Frage „Wer bringt diese Idee an den Markt?“ Da haben Sie mich gefunden, und ich fungiere als Expertin für Business Development und Digital Sales – und haben zusammen gegründet.

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(v.l.n.r.) Friedemann Call, Josua Vieten und Barbara Prähofer betreiben mit ihrem Unternehmen ExoMatter Materialentwicklung per K.I. – und haben auch klare Pläne. (Copyright 2022 @ExoMatter)

„Trial and Error will und kann ExoMatter nicht ganz ablösen.“

Mobility Rockstars: Bislang war das Finden von Legierungen und Gläsern ja ein hochgradig nichtlineares Verfahren. Gold verhält sich wie Gold, Kupfer wie Kupfer – mischt man beides, erhält man Rotgold, das sich wie keines der ursprünglichen Materialien verhält. Macht Exomatter also Schluss mit dem Trial and Error Verfahren, dass gefühlt seit Beginn der Menschheit besteht?

Barbara: Trial and Error will und kann ExoMatter nicht ganz ablösen. Wir reduzieren aber den Anteil von Trial and Error bei der Materialentwicklung beträchtlich, um bis zu 85 Prozent. Unsere Kunden starten mit den besten Kandidaten direkt in die Produktentwicklung und ersparen sich viel Recherchearbeit und Vortests im Labor.

Mobility Rockstars: Klingt interessant: Und wie lassen sich die Materialeigenschaften vorhersagen?

Barbara: Durch quantenchemische Simulationen, das heißt, man simuliert, wie man einzelne Atome eines Materials anordnen muss, damit die gesamte Anordnung am stabilsten ist. Darauf aufbauend gibt es dann weitere Berechnungen physikalischer und chemischer Eigenschaften. Ein weiterer Ansatz ist auch, die experimentellen Daten zu berücksichtigen und Eigenschaften neuer Materialien mit statistischer Korrelation und Machine Learning zu berechnen.

ExoMatter: „Der Kunde kann direkt in die Produktentwicklung starten, mit der Sicherheit, keine relevanten Materialien übersehen zu haben.“

Mobility Rockstars: Kannst du uns eure Herangehensweise und den verwendeten Tech/Tool- Stack ein bisschen genauer erklären? Also zum Beispiel: Wie bezieht ihr eure Daten, welche Modelle nutzt ihr und wie trainiert ihr eure Modelle?

Barbara: Wir übersetzen die technischen Anforderungen der Anwendung an die Materialien in chemische und physikalische Parameter. Dabei beachten wir auch ökologische und ökonomische Anforderungen unserer Kunden und bleiben im engen Austausch, um die besten Materialien zu finden. Aus verschiedenen Datenquellen ziehen wir dafür Daten zusammen und berechnen auch oft neue Parameter oder Reaktionsbedingungen. In einer smarten Webanwendung werden die vielversprechendsten Materialkandidaten anwendungsspezifisch dem Kunden zur Verfügung gestellt. Er kann dann direkt in die Produktentwicklung starten mit der Sicherheit, keine relevanten Materialien übersehen zu haben. 

Mobility Rockstars: Stichwort relevante Materialien: Wie seht ihr denn den Stand der Materialien, die jetzt schon in Luftfahrt und Automobilbranche entwickelt werden? Geht’s nicht mehr besser, oder ist noch Luft nach oben?

Barbara: Kommt darauf an, um welche Art der Anwendung es geht. Wenn es um Hightech-Materialien geht, wie zum Beispiel in Batterien oder Sensoren, dann gibt es noch sehr viel Potential für einen Gamechanger. 80 Prozent aller bahnbrechenden Innovationen basieren auf neuen und innovativen Materialien. Und dort sehen wir auch unsere Kernkompetenz. Wenn es sich um Standardmaterialien handelt, die in großer Stückzahl möglichst günstig produziert werden müssen, zum Beispiel der Stahl für ein Auto, dann gibt es dort kaum mehr Möglichkeiten, etwas fundamental Neues zu entwickeln und den State of the Art zu verdrängen.

Mobility Rockstars: Hängt sicher auch von den Wünschen der Kunden ab, oder? Wie weit können die Vorgaben denn da gehen? Kann ein Automotive OEM den Auftrag geben, ein Material zu finden, durch das Motorhauben künftig 17 Prozent leichter werden, um somit mehr Batterie-Reichweite zu erzeugen?

Barbara: Mit ExoMatter kann man nachhaltigere Alternativen oder komplett neue anorganische Materialien finden. Wir können aber keine neuen Materialien zaubern, sprich wir arbeiten in den Grenzen der Chemie und Physik. Aber da ist noch viel Luft nach oben, gerade was das Thema Batterien angeht. Wir liefern die bestmöglichen chemischen Zusammensetzungen – die Motorhaube muss unser Kunde dann aber noch selber gießen.

ExoMatter: „Oft wird ein Material benutzt, „weil man es schon immer so gemacht hat“.“

Mobility Rockstars: Okay, geben wir so weiter 😀 Sprechen wir aber nochmal über die Datenlage: Gibt es ein tatsächliches Modell des neuen Materials, oder werden eher Kandidaten gefunden, deren Zusammenwirken ein Treffer sein könnte, und die Wahrscheinlichkeit auf den Treffer wird dann stetig erhöht? Gibt es dazu Prozentzahlen, die du kommunizieren kannst und darfst?

Barbara: Sowohl als auch. Oft arbeiten wir mit Daten von schon bekannten Materialien. Das sind rund eine Million Materialien alleine im Bereich der Anorganik. Hier ist viel Optimierungspotential beim Matching mit den Anwendungen. Oft wird nämlich ein Material benutzt, „weil man es schon immer so gemacht hat“. Genau hier bieten wir einen ungemeinen Vorteil. Unsere Algorithmen denken „out of the box“ und finden oft etwas, was noch keiner in der Branche auf dem Schirm hatte. Wir können aber auch komplett neue Zusammensetzungen entwickeln – das verschafft den Unternehmen einen noch viel größeren Wettbewerbsvorteil.

Mobility Rockstars: Das klingt natürlich ungemein interessant, auf den ersten Eindruck hin aber auch ein wenig kompliziert. Ihr nehmt Partnern aber die Angst, indem ihr klarstellt, dass Kunden kein chemisches Vorwissen benötigen – cool! Was müsste der Kunde denn sonst so mitbringen, um Chancen auf Erfolg bei der Materialsuche zu haben?

Barbara: Der Kunde muss nur wissen, welche technischen und ökonomisch/ökologischen Anforderungen er an das Material stellt. Oder er hat schon das ein oder andere Material im Einsatz und will eine bessere Alternative dazu finden. In allen Fällen werden wir die besten Materialien für den Kunden finden.

Mobility Rockstars: Müsst ihr eigentlich die Branche kennen, aus der heraus Kunden euch beauftragen, oder gibt es gar Beschränkungen, für wen ihr arbeiten könnt?

ExoMatter: „Wir wollen das Tool werden, dass tagtäglich bei jeder Materialentwicklung benutzt wird.“

Barbara: Wir sind Branchenunabhängig. Unsere Kernkompetenz sind anorganische Materialien, die in der Energiewende und Transformation hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft eine Rolle spielen.

Mobility Rockstars: Das sind gute Nachrichten für alle Branchen! Nun noch unsere beliebte „Science Fiction Frage“ zum Abschluss: Was ist das größte Ziel, das ihr erreichen möchtet, wenn keine Hindernisse mehr bestehen? Material für SpaceX? Selbst ein Flugzeug bauen? Das neue Must-Have-Material für ganze Branchen entwickeln?

Barbara: Wir wollen keine eigenen Materialien entwickeln. Das überlassen wir den anderen. Wir wollen das Tool werden, dass tagtäglich bei jeder Materialentwicklung benutzt wird. Und wir wollen Materialien entwickeln, um eine nachhaltigere Zukunft zu erreichen! Ob wir dafür SpaceX brauchen oder nicht, oder doch lieber eine viel leichtere Batterie für ein E-Bike, wird sich zeigen.

Mobility Rockstars: Vielen Dank Barbara für den tollen und spannenden Einblick in ExoMatter und die Materialentwicklung per K.I. – wir sind sicher, dass eure Lösung für die Branche extrem spannend ist und freuen uns schon darauf, wieder von euch zu hören!

Professional Marc

Marc

Marketing Professional

Marc arbeitet als Senior Digital Marketing Manager bei Cognizant Mobility und generiert Content, fährt Kampagnen und leitet die SEO-Strategie der Internetauftritte.