Abomodell Auto: Ist Flexibilität der neue Luxus?

Abomodell vs Leasing und Finanzierung – neue Mobilitätsangebote braucht das Land! Wie die aussehen sollen hat uns DER Experte für Marktforschung und Zukunftstrends in der Automobilbranche, Dr. Konrad Weßner, im Interview verraten.

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Abomodell, Trends, Aussichten: Das Interview mit Dr. Konrad Weßner

Abomodell Auto

Dr. Konrad Weßner, Geschäftsführer und Inhaber der puls Marktforschung GmbH, gilt als Koryphäe wenn es um Marktforschung rund um die Automobilbranche und damit verbundene Empfehlungen in den Bereichen Markenstrategie und Vertrieb geht. Seine neueste Studie beschäftigt sich mit dem, was uns in der Branche derzeit alle umtreibt: wie und wohin verändern sich die Mobilitätsbedürfnisse in Deutschland? Und wie können Händler darauf reagieren? Dabei haben wir unter anderem erfahren, warum es höchste Zeit ist, sichtbare Kompetenz im Wachstumsmarkt der flexiblen Mobilitätsangebote aufzubauen und wer dabei aktuell den Logenplatz im Hinterkopf der Kunden besetzt.

Herr Dr. Weßner, als Experte für Marktforschung und Zukunftstrends in der Automobilbranche, was bedeutet Mobilität für Sie persönlich?

Mobilität ist für mich ein Grundbedürfnis, um von A nach B zu kommen, Menschen zu treffen und andere Kulturen kennenzulernen. Darüber hinaus verbinde ich damit Freiheit, Unabhängigkeit, Spontanität, Lebensfreude und das Bewusstsein, dass unser Wohlstand in Deutschland wesentlich mit dem Auto zusammenhängt.

Die Branche befindet sich ja gerade mitten in einer radikalen Transformation. Vermutlich auch einer der Gründe, weshalb sich Ihre letzte Studie um die Mobilitätsbedürfnisse im Wandel dreht. Wo sehen Sie dabei die größten Herausforderungen für die europäische Automobilindustrie?

Die Netflix-Generation macht auch vor dem Auto nicht halt: So liegen „Autos on Demand“ und der Bedarf nach flexibler Autonutzung zunehmend im Trend. Die Automobilindustrie muss von daher die Kundenschnittstelle gegenüber neuen Mitbewerbern verteidigen, die Auto-Interessenten mit flexiblen Autonutzungsangeboten wie Auto-Abos, Langzeitmiete oder Mitfahrangeboten ansprechen.

Die Corona-Pandemie hat die Welt ja derzeit fest im Griff. Wir beobachten einen sinkenden Wohlstand und Experten erwarten einen weiteren Rückgang des Bruttoinlandsprodukts. Welchen Impact hat das auf Abos, Geschäftsmodelle, Autos an sich?

Die mit Corona einhergehende wirtschaftliche Unsicherheit führt zu einem steigenden Interesse an Autonutzungsangeboten zu monatlich festen all inclusiv Raten mit möglichst flexiblen Laufzeiten und kurzfristiger Kündbarkeit. Aus der Herausforderung, Miet-, Car-Sharing-, Auto-Abo- oder Leasingangebote zu flexibilisieren werden sich neue zukunftsträchtige Autoangebote entwickeln, die die Automobilindustrie am besten selbst bieten sollte. Corona wird insgesamt aber auch zu einer steigenden und neuen Bedeutung des Autos als „Virenschutzraum“ führen.

Aus welchen Gründen sollte ich ein Auto im Abo einem Leasing- oder Mietfahrzeug vorziehen? Ist Flexibilität der neue Luxus?

Auto-Abos bieten als Mittelweg zwischen klassischem Leasing und Fahrzeugmiete den Vorteil frei wählbarer Laufzeiten und Wechselmöglichkeiten der Fahrzeuge. Anbieter wie Netflix zeigen, dass gerade aus einer solchen Unverbindlichkeit heraus enge Kundenbeziehungen entstehen können. Flexible digital unterstützte Autonutzungsangebote werden von daher zu einem immer wichtigeren Erfolgsfaktor zukunftsorientiert aufgestellter Automarken und Autobanken.

Derzeit explodiert ja die Zahl der Auto-Abo-Anbieter. Erwarten Sie auf Anbieterseite eine Marktbereinigung?

Da Auto-Abo-Anbieter ausnahmslos digital aufgestellt sind, werden wir wohl eine ähnliche Marktbereinigung wie im E-Commerce erleben. Die „The Winner takes it all – Logik“ resultiert schon aus dem Netzwerkeffekt, dass Anbieter mit zunehmender Kundenzahl immer besser und genauer wissen, welche Autos für welche Kunden interessant sind. Neben maßgeschneiderten „Next-Best-Offers“ wird das Bedürfnis nach Vertrauenswürdigkeit und einem möglichst großen Fahrzeugangebot den Ausleseprozess bei Abo-Anbietern fördern.

Was bedeutet das für die Geschäftsmodelle der Autoindustrie? Sind aus Ihrer Sicht strategische Partnerschaften mit (neuen) Mobilitätsanbietern (VW plant ja z.B. eine Beteiligung an Sixt) denkbar und sinnvoll?

Strategische Partnerschaften zwischen Automarken und neuen Mobilitätsanbietern halte ich für gefährlich, weil dadurch die Kundenschnittstelle, zumindest teilweise preisgegeben wird. So würde eine Kooperation zwischen VW und Sixt dazu führen, dass VW zwar kurzfristig neue Kundenleads erhält, langfristig aber zum Lieferanten einer solchen Plattform werden könnte. Weil Plattformen zudem besser als analoge Marken wissen, welche Bedarfe die einzelnen Kunden haben, würde wertvolles Kundenwissen verloren gehen. Es droht ein „Amazon-Effekt“.

Wie könnte bei einer solchen strategischen Partnerschaft eine erfolgreiche Customer Journey aussehen? Worauf kommt es an, wenn man Services miteinander verknüpfen möchte, um die Mobilitätsbedürfnisse der Kunden zu erfüllen?

Eine strategische Partnerschaft mit „Mobitechs“ könnte so aussehen, dass deren agile IT-Prozesse als „White-Label-Lösungen“ eingekauft werden. Solche Konstellationen finden sich beispielsweise bei Auto-Abo-Anbietern wie ViveLaCar ( Hier geht’s zu unserem Interview mit der ViveLaCar Gründerin) oder Like2Drive mit unternehmensinternen Lösungen für Automarken. Positiv zu bewerten ist in diesem Zusammenhang auch die Zusammenarbeit mit Auto-Inzahlungnahme-Plattformen, wo Kundenkontakte nicht außer Haus gegeben werden, sondern sogar neu entstehen.

Hat Deutschland in Sachen Automotive aus Ihrer Sicht noch eine Chance als Leit- und Technologiemarkt?

Es ist spät, aber noch nicht zu spät für die deutsche Automobilindustrie, ihre Vorreiterrolle zu behaupten. Allerdings ist die Lage ernst: Tesla hat bei zugegeben noch geringen Stückzahlen ein bis zwei Jahre Vorsprung nicht nur in der Elektromobilität und bei Batteriesystemen, sondern etwa auch beim autonomen Fahren und der Konnektivität. Um sich gegen solche agilen Quereinsteiger zu behaupten, muss die mitunter behäbige deutsche Automobilindustrie Schnellbote insbesondere in den IT- und Softwarebereichen zu Wasser lassen.

Kaufen wir in Zukunft überhaupt noch Fahrzeuge oder wird nur noch abonniert? Was denken Sie?

Auch wenn das Rennen um flexible Auto-Nutzungsangebote eröffnet ist, wird es weiter eine – wenn auch rückläufige Anzahl – an Kunden geben, die Autos klassisch über Barkauf oder Finanzierungen erwerben. Wir werden insgesamt eine Ausdifferenzierung der Auto-Nutzungsangebote erleben: Das Spektrum geht von flexibler, multimodaler und nachhaltiger Mobilität rund ums Auto („Autos on Demand flexibel nutzen statt besitzen“) über klassisches Full-Service-Leasing („nutzen statt besitzen“) bis hin zum klassischen Barkauf und der Finanzierung. Von daher werden wir keine Revolution, wohl aber eine Evolution der Autonutzungsangebote in Richtung Flexibilität erleben.

Wie steht es mit Ihnen? Sind Sie noch klassischer Besitzer eines Autos oder abonnieren Sie schon?

Da ich häufig Langstrecken fahre, bin ich klassischer Leasingkunde. Zusätzlich nutzen wir in unserem Vier-Personen-Haushalt ein Auto im Kurzzeitleasing und ein Auto im Abo über den Winter.

Und nun unsere beliebte Science-Fiction Frage: Herr Dr. Weßner, die Mobilität ist im Umbruch und es entstehen gerade viele Konzepte und Modelle für die Mobilität der Zukunft. Wie steht es um Ihre Zukunftsidee – Wie stellen Sie sich die Mobilität im Jahr 2030 vor? Wie werden wir Ihrer Einschätzung nach in zehn Jahren unterwegs sein?

Mobilität wird in 10 Jahren deutlich „multimodaler“ sein. Wir werden eine große Vielfalt an Sharing- und On Demand Angeboten ebenso erleben wir neue Formen der urbanen Mobilität (z.B. Flugtaxen oder Hyperloop). Da solche technologischen Disruptionen erst und nur dann die Mobilität der Zukunft bestimmen, wenn sie auf Kundeninteresse stoßen, bin ich davon überzeugt, dass wir neue Wege bei der Ansprache und Gewinnung von Auto- und Mobilitätskunden gehen müssen. Um dem in Zukunft wohl immer mehr überforderten Auto-Interessenten Orientierung zu bieten, könnten wir beispielsweise digitale Mobilitätsbedarfsanalysen anbieten und passende Autos und ergänzende Mobilitätsangebote vorschlagen, mit denen andere Kunden mit ähnlichen Mobilitätsbedarfen gute Erfahrungen gemacht haben. Da sich die Menschen heutzutage wohl nicht mehr vorschreiben lassen, wie ihr möglichst klimaschonender Mobilitätsmix aussieht, könnte von daher Curated Mobility Einzug halten und die Mobilität der Zukunft bestimmen. 

Wir bedanken uns für das Interview bei Herrn Dr. Konrad Weßner – wenn ihr noch mehr über die Zukunft der Mobilität erfahren wollt, seht euch am besten in unserem News-Bereich um!

15.12.20