Die Mobilität der Zukunft

Was hält sie für uns bereit? Wie müssen sich Unternehmen anpassen, um da noch Schritt halten zu können? Und sind Daten dabei wirklich das neue Öl? Diese und viele weitere Fragen hat uns Detlef Schmidt, Unternehmer, Coach und begeisterter Rennfahrer beantwortet.

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Das Interview mit Detlef Schmidt, Inhaber „firstmove“

Spezialisiert auf innovative Geschäftsmodelle und kundenorientierte Lösungen, um neuen Trends nicht einfach nur zu folgen, sondern sie aktiv mitzugestalten, spricht Detlef Schmidt von firstmove mit uns über Services, Technologien, Datenstrategien und andere Möglichkeiten im Bereich Mobilität – jetzt und in der Zukunft.

Detlef, du beschäftigst dich im Rahmen eurer New Mobility Solutions seit Jahren intensiv mit allen Fragen rund um das gesamte Ökosystem Mobilität. Wo genau setzt ihr hier mit firstmove an?

Als beratender Dienstleister für die verschiedensten Player in der sich verändernden Mobilitätswelt, orientieren wir uns natürlich primär an den individuellen Fragestellungen, mit denen sich das jeweilige uns anfragende Unternehmen beschäftigt. Im Fokus steht damit für die firstmove in erster Linie, die Unternehmen als Sparringspartner hinsichtlich Lösung ihrer spezifischen Themen zur „Neuen Mobilität“ zu unterstützen. Neben den damit i.d.R. verbundenen, konzeptionellen Projektarbeiten stellen wir über unsere vielfältigsten Zugänge zu Produkt- und Dienstleistungsanbietern der Mobilitätsbranche auch die Etablierung der erarbeiteten Konzepte/Geschäftsansätze im Markt sicher. Vor dem Hintergrund sind wir auch stets darauf bedacht, mit unseren Kunden die Ganzheitlichkeit und verschiedensten Wirkungszusammenhänge des Ökosystems der „Neuen Mobilität“ zu diskutieren, um darüber auch innovative Geschäftsansätze über entsprechende Netzwerkpartnerschaften aufzuzeigen. Wir managen in dem Zusammenhang oftmals auch das Spannungsfeld zwischen dem „Etablierten“ in den Unternehmen und den denkbaren Neuausrichtungsoptionen.

Welche Marktteilnehmer (Unternehmen oder auch Städte) gehen deiner Meinung nach in Sachen Mobilität neue Wege und warum? Wo siehst du hier aktuell noch Handlungsbedarf?

Bedingt durch Globalisierung, Digitalisierung und Klimawandel wird es durch Disruptionen im Mobilitätsbereich notwendige Innovationen, insbesondere im klassischen Automobilsektor geben. Daher sind alle Player in der Offensive, um ökologisch und ökonomisch adäquate Lösungsansätze hinsichtlich ihrer zukünftigen Leistungsangebote zu entwickeln. An neuen Konzepten sind somit Alle dran, aber einen „Wow-Effekt“ hat für mich noch kein Anbieter durch seine Mobilitätslösung ausgelöst. Städte werden sich ebenfalls anpassen und schnell Antworten auf das zukünftige Mobilitätsangebot für ihre Bewohner und Pendler geben müssen. Grundlegende Weichenstellungen werden auf dem Mobilitäts- und Klimasektor in der Politik zwar geführt, häufig aber isoliert und nicht aus einer ganzheitlichen Perspektive. Daraus resultieren teils Einzellösungen, die möglicherweise ökologisch sinnvoll erscheinen, aber z.B. wirtschaftlich für Handel und Gewerbe der Städte nachhaltige negative Folgen haben könnten. In dem Zusammenhang ist die deutsche Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) ein zentraler Ort zur Diskussion strategischer Weichenstellungen im Mobilitätsbereich. Die NPM betreibt zu komplexen Themen Faktenklärung und bindet relevante Stakeholder, sowie Fachexpertise und Politik ein. Aufbauend auf den Diskussionsergebnissen in der NPM werden Handlungsempfehlungen an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ausgesprochen.

Wie müssen sich Unternehmen in diesem Sektor anpassen, um auf künftige Veränderungen vorbereitet zu sein?

Es geht letztlich darum, die Entwicklungen in der Gesellschaft nicht nur zu verstehen, die sich wandelnden Bedürfnisse der Menschen zu erkennen, sondern als Schrittmacher für neue Ideen aufzutreten, deren Zeit gekommen ist. Es gilt frühzeitig auf den sich abzeichnenden gesellschaftlichen Wandel zur Mobilität zu reagieren, der hinführt zu Nachhaltigkeit im persönlichen Lebensstil wie auch im unternehmerischen Handeln. Damit betreten die Unternehmen vielfach echtes Neuland, da es naturgemäß noch keine vergleichbaren Angebote im Markt gibt, keine Wegmarken, an denen man sich orientieren kann. Diese gilt es daher selbst zu setzen!

Von unseren vorherigen Interviewpartnern haben wir erfahren, dass digitale Plattformen den Weg in Richtung neue Mobilität ebnen werden. Innerhalb des Ökosystems Mobilität (Fahrzeughersteller, Energiewirtschaft, Öffentliche Institutionen, CRM-/Telematikanbieter, …), wird es neben bestehenden auch eine Vielzahl neuer Marktteilnehmer geben. Uns würde interessieren, welche Akteure deiner Meinung nach mit Blick auf die Zukunft der Mobilität an Bedeutung gewinnen werden. Wen siehst du als Gewinner und Verlierer?

Ich denke, die pauschale Klassifikation in absolute Gewinner und Verlierer ist zum heutigen Zeitpunkt schwer vorherzusagen. Aufgrund der Dynamik und Unvorhersehbarkeit sich teils verändernden politischer, technischer oder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen – aktuell z.B. Covid19 – erfordert von den (Mit-)Gestaltern und Playern im Mobilitätssektor eine hohe Agilität und Flexibilität hinsichtlich der daraus abzuleitenden Aktivitäten. Nehmen wir als Beispiel den Fahrdienstvermittler „Uber“, explosionsartig gewachsen, ohne Investitionen in z.B. eigene Fahrzeugflotten, steht Uber nun in einem immer härter werdenden Wettbewerb im Fahrdienstmarkt und benötigt hohe Ausgaben zur Sicherung der Marktposition. Diese haben in Kombination für Suche und Erwerb neuer Geschäftsfelder zu Milliardenverlusten bei Uber geführt.

Durch die neue Mobilität entstehen auch immer größere Datenmengen. Sind auch für dich Daten das neue Öl? Welche Technologien siehst du dabei als die wichtigsten für die Zukunft der Mobilität?

Der berühmt berüchtigte „Daten-Goldschatz“! 😊 Ohne Frage, spielen Daten in der sich immer intensiver vernetzten Welt eine zunehmend wichtige Rolle und ja, sie sind ein maßgeblicher Erfolgsbaustein hinsichtlich Entwicklung und Realisierung neuer Geschäftskonzepte. Doch ein „mehr“ an Daten wird nicht per se der automatische Erfolgsfaktor sein. Es kommt eben nicht nur auf die Quantität, sondern insbesondere auch auf die Qualität der Daten und deren Interpretation bzw. Anwendung an. Während meiner Ausbildungszeit bei Karstadt in den frühen 80er Jahren habe ich früh erkannt, wie wichtig das Erfassen der richtigen Daten ist. Ein Abteilungsleiter der Herrenabteilung pflegte eine händisch erstellte Datenkartei seiner wichtigsten Stammkunden und zwar nicht nur nach Alter, Größe, Gewicht des Kunden, sondern insbesondere auch nach Hobbies, persönlicher Leidenschaft, Interessen seiner Frau und Kinder etc.. Was glauben Sie, war er ein erfolgreicher Verkäufer? Er war der Beste, da er die Daten nicht nur notierte, sondern sie auch im Verkaufsgespräch entsprechend einzusetzen wusste. Was nutzen also die umfassendsten Datenmengen, wenn sie nicht gewinnbringend in Erfolge überführt werden.

Aus verschiedenen Ecken hört man heute, dass das Auto seinen Wert als Statussymbol verlieren wird. Wie denkst du darüber? Siehst du diese Entwicklung eher als Chance oder Risiko für euer Business?

Da wir uns als firstmove nicht im engen Sinne im Segment der Autoindustrie positionieren, sondern im Gesamtmarkt der Neuen Mobilität, ist die Autoindustrie mit seinen zu lösenden Herausforderungen zwar weiterhin ein relevanter Teil für unser Business, aber nicht der Einzige. Persönlich muss ich zugeben, hat das Auto für mich nach wie vor einen hohen emotionalen Stellenwert, allerdings weniger als Statussymbol, sondern vielmehr als „Kulturgut“, speziell was das Segment der Classic & Special Cars betrifft.

Wenn du dein ideales Mobilitätskonzept sofort umsetzen könntest, wie würde es aussehen und welche ersten Schritte wären notwendig, um dorthin zu gelangen?

Was ist schon ein „ideales Mobilitätskonzept“? Dies ist doch abhängig von einer Vielzahl von zu berücksichtigenden Rahmenbedingungen: städtische/ländliche Region; vorhandene gesamthafte Verkehrsinfrastruktur; Wirtschafts- oder Tourismusstandort; geografische Lage; Pendlerströme; etc.. Mit anderen Worten: ein möglichst ideales Mobilitätskonzept muss sich an der jeweils anzutreffenden spezifischen vor-Ort-Situation ausrichten. Das „ideale Mobilitätskonzept“ für eine Großstadt wie Berlin ist eben anders auszurichten als für eine Erholungs- und Tourismusregion wie den Tegernsee.

Mit dem Wandel des Mobilitätsangebots verändert sich auch die Bedeutung des Parkens. Über euren Geschäftsbereich „APS Park & Store“ bietet ihr eine vollautomatische und vernetzte Lösungswelt aus flexibel einsetzbaren Bausteinen an. Kannst du uns einen kurzen Einblick geben und schildern, wie sich digitale Trends auf das Konzept bzw. den Bau von Parkhäusern auswirken?

Unser APS-Parksystem „denkt“ SMART. So erfolgt z.B. das Auslagern der auf Systempaletten gelagerten Fahrzeuge in den vollautomatischen Parkhäusern in minimalsten Zugriffszeiten (30-90 Sekunden, je nach Gesamtkonfiguration des Parkhauses). Der dafür notwendige und durch die SCS-Supercomputing Systems AG (Technopark Zürich) entwickelte „Mathematische Steuerungskern“ (K.I.) errechnet in Echtzeit das optimale Bewegungsmuster der Systempaletten (Lagerplatz der Fahrzeuge) im Parkhaus und reduziert die Zykluszeit der Auslagerung auf ein Minimum! Der „Mathematische Kern“ (KI..) ist multitaskingfähig, je nach Anforderung aus Nutzerkreis und Nutzerverhalten und ermöglicht so z.B. zur Rush Hour eine flexible Nutzung der Übergabestationen und Parkraumlösungen. Ferner ermöglicht ein intelligentes Lademanagement-System das antizyklische Laden der auf den Paletten parkenden Elektrofahrzeuge. Darüber hinaus ist eine Vielzahl von WEB Services, über entsprechend definierte Schnittstellen möglich, wie:

  • Vorreservieren von Parkplätzen über Apps
  • Anfordern des Autos per App, gekoppelt mit dem Bewegungsprofil, spart Zeit.
  • Abrechnung über Smartphone und Online – Zahlungssysteme
  • Anbindung von Carsharing-Anbietern
  • Predictive Maintenance und Analytics

Wir beobachten ja schon heute verschiedene Trends: Teilautonomes Fahren, Elektromobilität, Car Sharing. Science-Fiction Frage: Wie wird unsere Mobilität im Jahr 2030 aussehen? Wie werden wir dich in Baar besuchen kommen? Und wo parken wir?

Wenn ich mal ins Jahr 2010 zurückblicke, d.h. gerade einmal 10 Jahre retour, dann ist in der Zeit das erste iPhone auf den Markt gekommen. Was dann folgte, war eine unglaubliche technologische Entwicklungsdynamik und Vernetzung der unterschiedlichsten Systemwelten: Mensch-zu-Maschine; Maschine-zu-Mensch und Maschine-zu-Maschine; selbstlernende Programme; etc.. Die sich daraus teils neu entwickelnden Geschäftsansätze und -modelle (z.B. e-mobility; carsharing; etc.) sind jedoch noch vielfach in einem zarten Anfangsstadium und speziell der erste Hype rund um’s Carsharing flacht doch spürbar ab. An das vollautonome Fahren bis in 10 Jahren glaube ich noch nicht, aber es wird mit Sicherheit weitere Intelligenz zur Fahrunterstützung in den Fahrzeugen Eingang finden. Aufgrund der in Deutschland vorhandenen gesamthaften Verkehrsinfrastruktur und Fahrzeugflotte bin ich weiter davon überzeugt, dass wir im Jahr 2030 noch nicht mit einer völlig veränderten und grundsätzlich neuen Art der Mobilität konfrontiert werden.

Auf euren Besuch in Baar freue ich mich, kommt am besten mit der Schweizer Bahn (die ist pünktlich) und ihr lauft die 100 Meter vom Bahnhof zu mir ins Büro. Falls ihr doch mit dem Auto kommt, traditionelle Parkplätze vor dem Haus 😊

23.10.20